Stellungnahme der Elternkammer Hamburg zur neuen Richtlinie für schulische Vertretungskonzepte

Die Elternkammer Hamburg (EKH) begrüßt ausdrücklich die Bemühungen der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB), den Unterrichtsausfall zu minimieren und den Rahmen für einheitliche schulische Vertretungskonzepte zu schaffen. Der Anspruch, dass Vertretungsunterricht den Schüler und Schülerinnen Kompetenzzuwachs ermöglichen soll und idealerweise von pädagogisch ausgebildetem Personal durchgeführt wird, ist nachvollziehbar und unterstützenswert. Gleichzeitig sehen wir jedoch erhebliche Herausforderungen und Defizite in der vorgestellten Richtlinie (RL), die sowohl praktische als auch strategische Probleme mit sich bringt.

Kritische Punkte

1.    Ressourcenproblematik

Der Erfolg eines Vertretungskonzepts hängt maßgeblich von den verfügbaren Ressourcen ab. Die Realität an Hamburgs Schulen ist geprägt von einem chronischen Lehrkräftemangel. Diese Kernproblematik wird in der Richtlinie weder adressiert noch gelöst. Es bleibt unklar, wie Schulen mit begrenzten personellen Ressourcen den gestellten Anforderungen gerecht werden sollen.

2.    Einschränkung des Handlungsspielraums

Anstatt den Schulen mehr Freiheiten im Umgang mit Unterrichtsausfällen zu gewähren, werden durch die Richtlinie zusätzliche Vorgaben gemacht. Dies engt den Gestaltungsspielraum der stellvertretenden Schulleitungen ein, die ohnehin bereits durch organisatorische Aufgaben stark belastet sind.

3.    Fehlende Berücksichtigung individueller Gegebenheiten

Ein effektives Vertretungskonzept sollte flexibel sein und auf die individuellen Umstände eingehen können, beispielsweise:

  • Welche SuS betroffen sind,
    • Zu welcher Tageszeit der Unterricht ausfällt,
    • Die spezifischen Kompetenzen der Klasse,
    • Die Arbeitsbelastung des Kollegiums.

Diese wichtigen Aspekte finden in der Richtlinie jedoch keine Berücksichtigung.

4.    Bürokratisierung statt Problemlösung

Die Erfassung und Auswertung von Daten über Unterrichtsausfälle mag sinnvoll sein, löst jedoch nicht das Grundproblem. Stattdessen werden zusätzliche Kapazitäten für Dokumentation und Statistik gebunden, die Schulen ohnehin nicht im Übermaß zur Verfügung stehen.

Die EKH bedauert, dass die betroffenen schulischen Akteure, insbesondere die stellvertretenden Schulleitungen und Lehrkräfte, im Vorfeld nicht ausreichend in die Entwicklung der Richtlinie einbezogen wurden. Auch die Elternschaft wurde nicht konsultiert. Solch ein partizipativer Ansatz hätte zu praxisnäheren Lösungen führen können. Ebenso wenig wurde das Potenzial innovativer Ansätze – wie eine schuljahresübergreifende Unterrichtsplanung oder die verstärkte Nutzung digitaler Werkzeuge – systematisch mit den Lehrkräften diskutiert und evaluiert.

Die Richtlinie versucht, mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen:

  • Den Unterrichtsausfall zu verhindern,
  • Ersatzunterricht zu gewährleisten, der Kompetenzzuwachs ermöglicht,
  • Ausschließlich pädagogisch qualifiziertes Personal einzusetzen und
  • Neuartige Konzepte (wie schuljahresübergreifende Planung) zu integrieren.

Diese Ambitionen sind zwar lobenswert, überfordern jedoch die aktuellen Strukturen und Akteure. Ein schrittweises Vorgehen, bei dem einzelne Maßnahmen getestet und evaluiert werden, wäre vermutlich zielführender gewesen.

Die EKH fordert die BSB auf, die Richtlinie praxisnäher zu gestalten und folgende Punkte zu berücksichtigen:

  1. Flexibler Rahmen statt starre Vorgaben

Der Charakter der Richtlinie sollte stärker als „Rahmenempfehlung“ hervorgehoben werden, um den Schulen individuelle Anpassungen zu ermöglichen.

  • Erweiterung des Handlungsspielraums für Schulleitungen

Die stellvertretenden Schulleitungen benötigen mehr Freiheiten, um auf die spezifischen Herausforderungen ihrer Schulen reagieren zu können.

  • Berücksichtigung von Gesundheit und Belastung

Die Richtlinie sollte stärker auf die Gesundheit und Arbeitsbelastung von SuS und Lehrkräften eingehen, um Überforderungen zu vermeiden.

  • Abbau bürokratischer Hürden

Zusätzliche Dokumentationspflichten sollten auf das Notwendigste reduziert werden, um die ohnehin knappen Ressourcen nicht weiter zu belasten.

  • Ehrlicher Umgang mit dem Lehrkräftemangel

Die Realität des Lehrkräftemangels muss offen anerkannt werden. Es ist unrealistisch, einen ausfallfreien Unterricht zu erwarten. Stattdessen sollten die

Bildungsinhalte und -prioritäten an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden. Die Schulen müssen in die Lage versetzt werden, insbesondere den Anteil nicht vertretener Stunden zu reduzieren.

Die EKH erkennt die Bemühungen der BSB an, den Unterrichtsausfall zu minimieren, sieht jedoch erheblichen Verbesserungsbedarf in der vorliegenden Richtlinie. Nur durch die Einbindung der Betroffenen, die Berücksichtigung der realen Rahmenbedingungen und die Reduktion bürokratischer Vorgaben kann ein nachhaltig wirksames Vertretungskonzept umgesetzt werden.

Hamburgs Schulen brauchen Unterstützung – nicht zusätzliche Belastungen. Elternkammer Hamburg info@elternkammer-hamburg.de

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